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Ein neues Kapitel in Sachen Dienstleistungen hat der ORF gemeinsam mit der pre tv aufgeschlagen: Zehn neue Schnittplätze wurden im ORF Zentrum auf dem Küniglberg als gleichsam exterritoriale Insel in Betrieb genommen. Gebaut hat die neuen Schnittplätze Gert Oswalds Grazer Firma pro.media.
Text: Wolfgang Ritzberger Die so genannten alten Hasen im ORF mussten sich in den letzten Jahrzehnten an einiges gewöhnen, was bisher als undenkbar galt. Aber der Rechenstift und die manchmal persönlichen Einschätzungen einiger ORF-Gewaltigen machten es möglich. Was in den frühen 80er Jahren mit den anfangs heiß umstrittenen ENG-Mietteams begann, hat jetzt seinen aktuellen Höhepunkt erfahren: Zehn Schnittplätze, aufgesetzt auf Apple Rechnern und ausgestattet mit Final Cut Pro, sind soeben für die pre tv fertig gestellt worden. Die gesamte Einrichtung, angefangen bei den Möbeln bis zu den Servern, ist Eigentum der pre tv – und das mitten im „Bergwerk“. Neben den Schnittplätzen hat die pre tv für die Dispo und den technischen Support Büros vom ORF gemietet.
Die Feuertaufe haben die neuen Schnittplätze bereits bestanden: Die Produktion „Das Match“ wurde zur Gänze auf den neuen Schnittplätzen bearbeitet. Insgesamt 140 Stunden Rohmaterial, das auf den Ingest-Servern der pre tv gespeichert wurde. Der Workflow lässt sich einfacher beschreiben als erstellen, weiß Gert Oswald, Inhaber der pro.media, die für die pre tv die Plätze gebaut hat. „Wir haben bei der Programmierung des Servers, der zentralen Speicherung, die Möglichkeit genutzt, für jede Redaktion eigene Benutzer anzulegen“, erklärt Oswald die Philosophie des Workflows, „das bedeutet, jeder Redakteur bzw. Cutter steigt mit seinem Benutzer ein, egal, auf welchem Schnittplatz, und hat alle Daten und Files der Sendung zur Verfügung.“
Ermöglicht wird das durch die Soft- und Hardwarelösungen von EditShare, einer der erfolgreichsten Shared-Storage Systemen am Markt. Das mache auch, so Oswald, den größten Unterschied zum ursprünglich angebotenen Avid-System aus. Avid wäre für eine derartige Anwendung „out of the box“ installierbar gewesen und daher auch ursprünglich angeboten worden. Der ORF hatte aber auf der Zielgeraden der Umsetzung des Projektes ausdrücklich Final Cut Pro den Vorzug gegeben. „Unsere interne Vorgabe war, ein Setup zu bauen, dass den von uns gewohnten hohen Ansprüchen in punkto Performance, Stabilität und Datensicherheit gerecht wird. Um die gleiche Leistung zu erreichen, haben wir deutlich mehr basteln müssen“, beschreibt Oswald die Herausforderung an sein Team.
Ein Beispiel: Ohne Vorankündigung hat Apple für die Rechner erstens die CPUs, zweitens die Netzwerkkarten gewechselt und drittens die Fire Wire 400 Anschlüsse abgeschafft. Apple-Anhänger sind den Rapid-Fans nicht unähnlich: Sie sind leidensfähig. Für die Schnittplätze der pre tv bedeutete das unter anderem, dass gemeinsam mit Tascam - als externer Controller bzw. externes Audio-/MIDI-Interface wird das System FW-1082 verwendet - komplett neue Treiber geschrieben werden mussten. Und für die Anbindung an den EditShare-Server musste das Timing der Netzwerkkarten optimiert werden. „Die Forschungsarbeit war und ist sensationell“, bestätigt Mag. Nikolaus Wisiak, Geschäftsführer der pre tv, „ pro.media hat einen perfekt funktionierenden Workflow installiert, der auch mit den Schnittstellen des ORF klaglos funktioniert.“ Die von pre tv und pro.media auf die Beine gestellten Lösungen seien auch, verraten Wisiak und Oswald schmunzelnd, beispielgebend für die ORF-eigenen FCP Schnittplätze.
Zurück zum Workflow: Das Material wird von einer MAZ auf den Server gespielt, wobei für den ORF nur zwei Ausgabe-Formate in Frage kommen: IMX-SD oder HDCAM. Ab diesem Zeitpunkt sollte das System bandlos funktionieren. Nicht nur innerhalb der pre tv Insel, sondern auch für den Rest des Bergwerks. Dafür sorgt einerseits die Integration der ORF-Grafik mit den Grafik-Workstations des Hauses, von denen alle Templates der ORF-Grafik geladen und verwendet werden können, und andererseits die Anbindung an die übrigen ORF Systeme. Der fertige Beitrag wird als File im Synchronkomplex angelegt, wo er gemischt und synchronisiert wird, um in weiterer Folge entweder zur ORF-Abnahme geschickt oder von der pre tv ergänzt und/oder korrigiert und dann zur Abnahme weitergeschickt zu werden. Wobei die Großmembranmikros auch Sprachaufnahmen in den Edits ermöglichen.
Die fertige Sendung wird danach entweder als File oder als Band im zentralen Maschinenraum zur Abnahme deponiert. Neben dem Film „Das Match“ werden auf den Schnittplätzen die Sendungen „Am Schauplatz“, „Schauplatz Gericht“, „Newton“, die Sendungen für die Abteilung Religion und jede Menge Dokumentationen geschnitten. Der völlig bandlose Workflow und die Aufnahme auf Speichermedien sind zwar noch Zukunftsmusik, aber in nahe Zukunft gerückt, so Wisiak und Oswald. Noch mache der ORF daraus ein Geheimnis, aber so viel könne man schon entdecken: Eines der neuen Zauberworte - nach MII, IMX oder Liquid - wird MXF-Format heißen.
Schon jetzt greifen die Schnittplätze dieser Zukunft ein wenig vor: Mit der Flip-Factory wird der für den bandlosen Workflow notwendige Content-Manager vorweg genommen, der das Rohmaterial von den Aufnahmemedien überspielt, zuordnet und wenn notwendig konvertiert. Die Flip-Factory ist ein Server, der im Hintergrund jedes nur erdenkliche Material, vom echten HD bis zum gerippten YouTube Video, automatisch zu einem 16:9 IMX-SD File umwandelt und abspeichert.
Wann und ob der ORF die nächsten „externen“ Schnittplätze auf eigenem Gelände realisieren werde, sei nicht abschätzbar, meint Wisiak, wahrscheinlich werde das Unternehmen eher in Richtung Mobilität der Werkdienstleistung Postproduktion investieren. Ganz abgesehen davon, dass in einigen Programmbereichen die Ideen drehender und schneidender Gestalter, die sich zumindest außerhalb des ORF bereits um viel Geld ausbilden lassen können, immer konkretere Gestalt annehmen.